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Simon Wiesenthal Lecture
Bettina Stangneth:
"Gefährliches Verstehen-Wollen. Adolf Eichmanns Wissen über Urteilskraft und Manipulation"
Datum:
Donnerstag 15. November 2012
Ort:
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, 1010 Wien
Seit die Welt vom Massenmord an den europäischen Juden und Judinnen weiß, stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte. Wie war es moglich, Millionen von Menschen aus ihrem Lebenszusammenhang zu reißen, »in den Osten« zu deportieren und dort zu ermorden. Einer, der maßgeblich den Massenmord organisiert hatte, war Otto Adolf Eichmann. In der NS-Zeit machte er als »Spezialist fur Judenfragen« Karriere, weil niemand so effektiv Vertreibung, Verfolgung und Ermordung realisieren konnte wie er. Das Interesse an diesem Mann war entsprechend groß, als man ihm 1961 in Israel den Prozess machte. Der Eindruck, den Eichmann in Jerusalem auf die Prozessbeobachter und -beobachterinnen machte, wollte dennoch nicht zu seiner mörderischen Laufbahn passen. Konnte jemand, der so harmlos wirkte, tatsachlich so gefahrlich gewesen sein? Aber Adolf Eichmann wusste nicht nur, wie man Deportationen organisiert; er wusste vor allem, wie man Opfer organisiert. Denn Menschen zu manipulieren - das gelang ihm zu allen Zeiten, sogar noch als Angeklagter vor Gericht. Das ist der Grund, warum wir danach fragen müssen, was dieser Menschheitsverbrecher über die menschliche Urteilskraft und die Möglichkeit wusste, uns diese Kraft zu nehmen, ja mehr noch, sogar unseren Wunsch zu Verstehen gegen uns zu verwenden.
Bettina Stangneth, Philosophin, promovierte uber das Radikal Bose bei Immanuel Kant, gab Kants Religionsschrift kommentiert heraus und arbeitete zum Antisemitismus im 18. Jahrhundert und zur Philosophie im Nationalsozialismus. Seitdem forscht Stangneth zur Lugentheorie. 2011 erschien Eichmann vor Jerusalem, 2012 folgte mit Luge! Alles Luge! die Rekonstruktion der Aufzeichnungen des Eichmann-Verhorers Avner Werner Less. Zur Zeit arbeitet Stangneth u.a. an der historisch- kritischen Neuausgabe von Hannah Arendts Eichmann in Jerusalem.