Glocken der Ev.-Luth. Pfarrkirche St. Jobst in Rehau

Eingebettet in die waldreichen Ausläufer des nördlichen Fichtelgebirges befindet sich nahe der Grenze zu Böhmen die oberfränkische Industriestadt Rehau. Wurde die Stadt selbst im Jahre 1234 erstmals urkundlich erwähnt, liegen auch die Ursprünge der Rehauer Pfarrkirche St. Jobst in der Errichtung einer Kapelle im 13. Jahrhundert. Mit der Erhebung zur Pfarrei wurde die Kapelle, welche weitgehend mit dem heutigen Chor identisch sein dürfte, ab 1470 um ein spätgotisches Langhaus und den Turm erweitert. Die Kirche hatte damit im Wesentlichen ihre heutige Baugestalt erreicht. Zwei der drei Stadtbrände erzwangen Erneuerungen von Dachwerken und Innenraum. Der heutige bauliche Zustand der Kirche geht zurück auf den Wiederaufbau nach dem letzten Stadtbrand 1817, infolge dessen der Grundriss Rehaus als klassizistische Planstadt mit rechtwinkligen Straßen völlig neu konzipiert wurde.
Eng mit der Stadtgeschichte ist auch die Historie der Glocken Rehaus verwoben. Eine Glocke hatte es bereits in der ersten Kapelle gegeben - beim Einfall der Hussiten im Jahre 1430 wurde sie jedoch zerstört und 1446 neu gegossen. Anlässlich der Errichtung des Turmes im ausgehenden 15. Jh. hatte man eine zweite Glocke angeschafft. Bereits 1674 ließ man die beiden vorhandenen Glocken vom Hofer Glockengießer Heinrich Graulich umgießen und schaffte 1682 eine größere dritte Glocke an, weitere Umgüsse wurden 1697 vorgenommen. 1763 zerstörte der zweite Rehauer Stadtbrand die Kirche bis auf ihre Umfassungsmauern - auch die Glocken waren unbrauchbar geworden. Beim Wiederaufbau, der sich bis 1788 hinzog, erhielt die Kirche zunächst nur ein zweistimmiges Notgeläut. 1790 ließ man durch die Gebrüder Lösch in Bayreuth-St. Georgen eine größere Glocke gießen, 1815 eine weitere bei Hertel und Rupprecht in Nürnberg.
Nur zwei Jahre später fiel dem dritten und größten Stadtbrand Rehaus wiederum das Geläut zum Opfer. 1819 erhielt die Pfarrkirche schließlich ein neues Dreiergeläute in F-Dur, gegossen durch die Gebr. Lösch in Bayreuth. Veränderungen blieben jedoch weiterhin die Regel: die große Lösch-Glocke musste im 19. Jh. mehrmals umgegossen werden, in den beiden Weltkriegen wurden weitere Glocken eingeschmolzen. Nach Kriegsende 1945 befand sich nur noch die kleinste der drei 1819 gegossenen Glocken auf dem Turm der Rehauer Pfarrkirche.
Dank der Spendenbereitschaft des hiesigen Sägewerks Heinrich Strunz konnte im November 1948 ein neues, erstmals vierstimmiges Geläut angeschafft werden. Um ein einheitlicheres Klangbild zu erzielen, hatte man sich dazu entschieden, die erhaltene Glocke von 1819 an die in Rehau-Ziegelhütte neu zu errichtende Martin-Luther-Kirche abzugeben. Am 9. Oktober 1948 wurden die vier neuen Glocken durch die Fa. Petit & Gebr. Edelbrock in Gescher gegossen. Die Schlagtöne des alten Geläuts griff man dabei wieder auf und fügte als Klangkrone eine vierte Glocke (d'') hinzu. Da die drei großen Glocken in ihren Tönen und damit auch etwa in ihrer Größe dem Vorgängergeläute entsprechen, konnten der beeindruckende Holzglockenstuhl und die Joche von 1819 für das neue Geläut weiterverwendet werden. Zur Aufnahme der kleinsten Glocke wurde ein eigener Aufbau über der Taufglocke gefertigt.
Erst kürzlich wurden der Glockenstuhl zimmermannstechnisch ertüchtigt und die Klöppel aller Glocken neu dimensioniert. Bemängelt werden muss jedoch die beeinträchtigte Schallabstrahlung des Geläutes, welches selbst in Kirchennähe nur in geringer Lautstärke zu vernehmen ist.
Nicht nur musikalisch, sondern auch optisch sind die Glocken selbst jedoch von durchaus hoher Qualität und kunstvoll verziert: jede Glocke verfügt neben dem Stadtwappen, dem Gießerzeichen und der Inschrift über eine eigene Zier (Gl. 1: Gekreuzigter, Gl. 2: Öllampe, Gl. 3: Schiff und Gl. 4: A und Ω). So äußert sich auch der Kirchenmusiker Friedrich Högner bei der im Nachgang erfolgten Abnahme des Geläutes überwiegend zufrieden: lediglich Schlagton und Prim der Taufglocke sind leicht vertieft, wobei sich eine Nachstimmung empfohlen hätte; ansonsten verfüge Rehau über ein "wohlklingendes, schönes, weittragendes u. auch im Äußeren so sauberes Geläut." Anlässlich des 75. Jahrestags der Weihe vom 07.11.1948 soll das Geläut nun auch hier zu sehen und zu hören sein und, wie es auch Högner in seinem Abnahmegutachten wünscht, noch "jahrhundertelang zur Ehre Gottes erklingen und die Gemeinde zum Hause Gottes führen!"
Technische Daten der Glocken
I. Gedächtnis, Ton: f'-3
990 kg, 1166 mm, P&E (1948)
II. Bet, Ton: a'-4,75
475 kg, 908 mm, P&E (1948)
III. Tauf, Ton: c''-7
280 kg, 755 mm, P&E (1948)
IV. Gloria, Ton: d''-1,25
190 kg, 680 mm, P&E (1948)
*P&E: Fa. Petit & Gebr. Edelbrock, Gescher
Herzlichen Dank der Kirchengemeinde, besonders Mesnerin Fr. Schörner und Hrn. Weber, sowie Marco Popp für die Einladung nach Rehau.
Quellen:
Inventarisation des Geläutes, 31.10.2023.
DR. MARCO POPP: Glockengeschichte von Rehau. Bensheim/Rehau, 2023. (unveröff. Manuskript.)
Text, Ton, Bild: Ben Schröder. #Glocken

[@TimBott-hg9nj]

Wunderschön

[@uhrenundglockenfan548]

Danke für das Video. Klasse 🙂👍

[@alexenderlein6626]

Sehr schön 🙂! Ich mag das Salve Regina sehr gern, egal ob vier-, fünf- oder sechsstimmig. Danke fürs Zeigen 🙂.

[@bachglocke3716]

Recht gut! Aber ich kann mich ja des lächels nicht erwehren wenn ich lese: Ton: a'-4,75 und d''-1,25! :-)Ich muß mal ganz konkret fragen: Wie hat den der GSV dieses festgestellt wenn er den Schlagton auf 2 NK-Stellen genau angeben kann zumal der Schlagton ja ein Residuum ist und keine physikalische Tatsache die als Spektralkomponente nachgewiesen wird? Würde mich mal ernsthaft interessieren ! Haben Sie da nähere Infor drüber?

[@glockenzeit]

Diese Werte stammen nicht von einer Stimmgabelanalyse, sondern wurden anhand einer Aufnahme des Klangspektrums ermittelt, können daher also genauer angegeben werden.