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Die mit Spannung erwartete Neuinszenierung des „Rheingold“ von Richard Wagner als Start der Neuproduktion seines „Ring des Nibelungen“ an der Bayerischen Staatsoper durch Tobias Kratzer hinterlässt einen äußerst zwiespältigen Eindruck. Eine Tendenz zu extremer Trivialität und Banalität der völlig mythologiefrei gebotenen Geschichte als ein weitgehend banales Gaunerstück stößt sich mit einem dann doch auf Größeres verweisenden Ende, dem prachtvoll-goldenen neugotischen Hochaltar einer verlassenen Kirche, auf dem die Götter im Finale thronen und von Menschen aus den Kirchenbänken angehimmelt werden. Warum eigentlich?!
Zuvor gerät die Rheintöchter-Szene mit dem Sandler Alberich zur Slapstick-Komödie, bis er einen unscheinbaren leuchtenden Plastiksack als Rheingold aus dem Boden holt und bei seinem Abziehen noch Flosshilde anschießt. Er mutiert dann in Nibelheim zu einem Sammler von Feuerwaffen in einer Garage. Beim Raub des Nibelungenhorts, ein ungeordneter Stapel von Koffern und Taschen mit Euro-Noten, inklusive blutigem Verlust des Ring-Fingers durch Wotan, muss der Albe fast 20 Minuten in völliger Nacktheit agieren, pinkelt dannnoch kurz an einen Kirchenpfeiler.
Man muss sich angesichts solcher - durchaus auch als geschmacklos zu bezeichnenden - Inszenierungsexzesse einmal fragen, ob die Regietheater-Regisseure überhaupt erkennen oder es überhaupt erkennen wollen, was an entsprechenden Aussagen in Wagners Text und Musik bereits enthalten ist. Der Eindruck drängt sich auch bei diesem „Rheingold“ von Tobias Kratzer auf (in dessen sogenannter Kultproduktion des „Tannhäuser“ in Bayreuth er mal eben die Venus vorsätzlich einen Polizisten totfahren lässt, ohne dass sich irgendjemand in Publikum oder Kritik daran gestört hätte - bis heute übrigens), dass er völlig losgelöst von Text und Partitur (Regieanweisungen sowieso) inszeniert, wie viele andere seiner Zunft. Ob damit dem Werk und Wagners so klar postuliertem Gesamtkunstwerk etwas Sinnvolles und eventuell sogar Erkenntiserweiterndes hinzugefügt wird, bleibt bestenfalls dahingestellt. An diesem Abend, an dem auch häufig der Kultivierung der Hässlichkeit gefrönt wurde und die meiste Zeit vor einem ermüdenden Bühnenbild aus Aluminium und grauen Plastikplanen, der allzu tristen Baustelle an der Hinterwand des besagten Altars agiert wurde, an der den ganzen Abend - gähnende Langeweile verursachend - stellte sich beides nicht ein.
Vladimir Jurowski dirigierte das Bayerische Staatsorchester mit viel Liebe zum Detail und gute Akzente an den entsprechenden Stellen setzend. Das Vorspiel, auf das Wagner im Verhältnis zur Gesamtkomposition des Vorabends unverhältnismäßig viel Zeit verwandt hatte, gelang Jurowski und den Wagner-erfahrenen Musikern mit mystischer Verklärung nahezu perfekt, koppelte sich damit aber vom Bühnengeschehen völlig ab. Die Sänger waren gut, aber nicht so gut wie drei Tage zuvor bei der „Rheingold“-Premiere an der Mailänder Scala. Mal sehen, wie es weitergeht…