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Kann man es einem Nachrichtensprecher verübeln, die altehrwürdige Tagesschau mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zu präsentieren? Ich finde: Nicht an diesem Tag, nicht an diesem historischen 9. November 1989 - und schon gar nicht dem überaus sympathischen ehemaligen Tagesschau-Sprecher Jo Brauner! Denn rund eine Stunde vor Beginn der von Brauner verlesenen Tagesschau-Hauptausgabe hatte SED-Politbüromitglied Günter Schabowski in Ostberlin versehentlich verkündet, dass die DDR für alle ihre Bürger die Grenzen öffnet. Auf einer inzwischen berühmt gewordenen Pressekonferenz sagt er, die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR seien „angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen, ohne dass dafür noch geltende Voraussetzungen für eine ständige Ausreise vorliegen müssen“. Wow - Waaaahnsinn!!
Kurz darauf, um 19.05 Uhr geht eine Eilmeldung der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) um die Welt: „DDR öffnet Grenzen. Die DDR öffnet nach Angaben von SED-Politbüromitglied Günter Schabowski ihre Grenzen. Dies sei eine Übergangsregelung bis zum Erlass eines Reisegesetzes, sagte Schabowski.“ Wenige Stunden später, am Abend des 9. November 1989, fahren Tausende DDR-Bürger die Ernte ihres monatelangen Protests gegen das SED-Regime ein: Die Mauer in Berlin wird regelrecht erstürmt, Zigtausende Menschen passieren noch in derselben Nacht die Grenzübergänge an den Sektorenübergängen sowie an der innerdeutschen Grenze.
Wie war all das so plötzlich möglich? Nun, bereits im Frühjahr beginnt sich in der DDR eine Stimmung zunehmenden Unmuts zu verbreiten. Auslöser ist die Kommunalwahl vom 7. Mai 1989, deren offizielle Ergebnisse - wie üblich - gefälscht waren. Doch diesmal bleibt der Betrug nicht unbeobachtet: Oppositionelle Gruppen zählen parallel Stimmen aus und können belegen, dass die SED die Wahlergebnisse manipuliert hat. Dies führte zu wachsendem Protest, insbesondere in kirchlichen und oppositionellen Kreisen, und legte den Grundstein für eine breitere Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Im Sommer ´89 spitzt sich die Lage weiter zu. Tausende DDR-Bürger suchen Zuflucht in westdeutschen Botschaften in Prag, Warschau und Budapest. Die Bilder der überfüllten Botschaftshöfe gehen um die Welt. Als Ungarn im September die Grenze zu Österreich öffnet, nutzten Zehntausende die Gelegenheit zur Flucht. Diese Massenabwanderung macht bereits deutlich, dass viele DDR-Bürger keine Hoffnung mehr auf Veränderungen im eigenen Land haben.
Gleichzeitig nehmen Proteste im Inneren zu. Im September finden erste Montagsdemonstrationen statt und in Leipzig kann die Bürgeropposition rasch Tausende mobilisieren. Die Menschen fordern Reformen, Meinungsfreiheit und freie Wahlen. Darauf reagiert die Staatsführung zunächst mit Drohungen und Gewalt - insbesondere in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 1989. Doch unmittelbar danach gelingt es erstmals, die Lage nicht eskalieren zu lassen, weil sich die Sicherheitskräfte in Leipzig zurückhalten - eine entscheidende Wende zum Guten!
Von nun an wächst mit jeder weiteren Demonstration die Gewissheit der Menschen, dass das SED-Regime die Kontrolle über den Staat zu verlieren droht. Am 4. November füllen rund eine Million Menschen den Alexanderplatz in Berlin, um für Freiheit und Demokratie zu demonstrieren. Schließlich führt der extreme Druck der Straße am 9. November zur überhasteten Verkündung einer neuen Reiseregelung, die Schabowski bei seiner Pressekonferenz missverständlich formuliert. Noch am selben Abend strömen Tausende zu den Grenzübergängen - und die Berliner Mauer ist gefallen.