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In Tübingen erklingen die Glocken h°-cis'-d'-e'-fis'-gis'-a' als außerordentlich klangvolles Geläut der Stiftskirche St. Georg. Es handelt sich hierbei um ein bedeutsames Ensemble aus drei modernen und vier historischen Instrumenten.
➥ Die älteste Glocke ist die heutige Glocke [2] des Geläutes. Die mächtige Dominica wurde 1411 von den Glockengießern Adam und Bodemmer gegossen und ist in dieser Region eine der größten Glocken ihrer Zeit.
Glockengießermeister Hans Eger aus Reutlingen schuf im 15. Jahrhundert zwei weitere Glocken für die Stiftskirche. 1448 wurde Glocke [4] und 1469 die Glocke [3] gegossen. Damals waren die Glocken [2+3] noch beinahe tongleich.
1682 wurde eine vorhandene Glocke schadhaft und von den lothringischen Wandergießern Rosier umgegossen zur heutigen Glocke [6]. Diese verwendeten dabei eine für die damalige Zeit eine verhältnismäßig schwere Rippe.
Im 20. Jahrhundert unterlag das Geläut weitreichenden Veränderungen. Im Jahre 1932 wurden Pläne spruchreif das bestehende historische Geläut zu erweitern. Hierbei waren die beiden großen, nahezu tongleichen Glocken als ein Problem erkannt worden. So wurde die aus heutigen denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkten undenkbare Entscheidung getroffen die größere und schwerere der beiden Glocken zu schleifen und somit tonlich anzupassen. Seither erklingt die Dominica als cis'. Auch die Glocken [3+6] wurden korrigiert um eine klare Schlagtonlinie zu erhalten. Durch diese Maßnahme war allerdings das Budget der Gemeinde aufgebraucht und die angedachte Erweiterung konnte zunächst nicht umgesetzt werden.
Zwei kleinere Glocken gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Den Ersatz lieferte im Jahre 1954 die Glockengießerei Kurtz aus Stuttgart, welche die Glocke [5] in schwerer Rippe goss.
1963 sollte schließlich Ersatz für die kleinere der im Krieg verlorenen Glocken gefertigt werden. Die Glockengießerei Rincker in Sinn fertigte die Glocke [7]. Auch wurde der Plan der Geläuteerweiterung aus den 1930er Jahren wieder aufgegriffen. Ebenfalls von Rincker wurde die "Gloriosa" [1] in einer besonders schweren Rippe gegossen.
Hierzu wurde der heute denkmaltechnisch undenkbare Schritt unternommen den gewaltigen Holzglockenstuhl aus der Zeit der Gotik zu demontieren um für eine moderne Stahlanlage Platz zu schaffen, da die Gloriosa in der historischen Anlage wohl keinen Platz gefunden hätte.
Das Geläut fällt besonders durch seine eher außergewöhnliche Disposition auf. Der historische Kern ist dabei im Vollgeläut aufgrund der durchgeführten Tonkorrekturen nicht mehr unbedingt am Klang zu erkennen. An den hohen kirchlichen Feiertagen ergänzt die Gloriosa das Ensemble auf beeindruckende Weise. Die Dominica und die anderen historischen Glocken können sich aufgrund der schweren Rippen und durchdachten Intonation im Vollgeläut durchaus behaupten.
Im Jahre 2014 wurde das Tübinger Glockenspiel eingebaut. Hierzu wurde jede der vorhandenen Läuteglocken mit einem Hammer ausgestattet und zwei weitere Schlagglocken h' und cis'' , gegossen wiederrum durch Rincker, starr aufgehängt. Seither erklingt um 11:55, 17:55 und gegebenenfalls 20:10 eine der insgesamt zwölf spielbaren Melodien über die Stadt.
➥ Die Stiftskirche St. Georg ist eine gotische Hallenkirche, welche zwischen 1411 und 1490 größtenteils neu errichtet wurde. Sie war die Stiftskirche des dorthin umgesiedelten Chorherrenstiftes Sindelfingen bis dieses 1534 aufgelöst wurde und die Kirche die Pfarrkirche der evangelischen Gemeinde wurde.
Der heutige Innenraum zeigt sich heute größtenteils im neugotischen Stil, auch wenn dieser bei der letzten großen Innenraumgestaltung in den 1960er Jahren merklich ausgedünnt wurde.
➥ Ich möchte mich bei den Verantwortlichen der Stiftskirchengemeinde Tübingen für die Ermöglichung dieser Aufnahme ganz herzlich bedanken!
Ebenso möchte ich mich bei Tobi und David für die Begleitung und die Unterstützung bedanken. Dieser Dank umfasst besonders die Bilder der Glocken [5+6], die freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden!
➥ Glockentürme und Glockenstühle sind keine öffentlich zugänglichen Räume.
Dieses Video wurde mit einer Sondergenehmigung unter Einhaltung von Sicherheitsstandards erstellt. Zum Zeitpunkt der Aufnahme waren keine Personen im Gefahrenbereich der läutenden Glocken zugegen!
P.S. Das für dieses Video gewählte Motiv des Glockenspiels ist nicht unbedingt passend für das ganze Kirchenjahr, aber es betont meiner Meinung nach hervorragend die besondere Disposition des Ensembles ohne die Melodie dabei anpassen zu müssen.