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Mittlerweile wird immer mehr über ADHS gesprochen, was sehr erfreulich ist! Mehr Menschen werden darauf aufmerksam, ADHS als Erklärung in Betracht ziehen, informieren sich und versuchen, professionelle Meinungen einzuholen.
Die erhöhte Social Media Präsenz von ADHS hat aber nicht nur positive Seiten, leider wird ADHS oft als etwas dargestellt, das determiniert, wer ein Mensch ist und was dieser Mensch kann: „Wenn ich ADHS habe, dann habe ich endlich eine Antwort auf alle meine Probleme und ich weiß jetzt, ich kann gar nicht anders, als mich so zu verhalten, wie ich es gerade tue, denn ich habe ADHS.“
In anderen Worten, ADHS kann auch als Rechtfertigung genutzt werden. Jessica McCabe @HowtoADHD drückt es hier • How to Tell if Someone... anschaulich in einer Analogie aus - wenn jemand sagt: „Ich bin sehr klein, also brauche ich einen Stuhl und etwas mehr Zeit, um die Sache da oben auf dem Regal zu erreichen“, dann ist es eine Erklärung. Aber zu sagen: „Ich bin sehr klein, ich kann die Sache da oben auf dem Regal nicht erreichen, jemand anderes muss es für mich tun“, wäre eine Ausrede. Solche Aussagen sind externalisierend, denn äußere Umstände und andere Menschen werden übermäßig stark für eigene Schwierigkeiten oder deren Lösung verantwortlich gemacht.
Die Verantwortungsübernahme kann aber ebenso ins andere Extrem schlagen und jemand kann sich selbst übermäßig verantwortlich machen und übermäßig versuchen, sich anzupassen. Im eben genannten Beispiel wäre Internalisierung etwas wie: „Ich komme an die Sache da oben nicht dran, also muss mit mir grundlegend etwas verkehrt sein. Ich muss versuchen, mich auf Zehenspitzen zu stellen und mich ganz lang zu machen, denn ich muss da dran kommen!“, ohne in Betracht zu ziehen, dass es völlig in Ordnung wäre, ein Hilfsmittel zu benutzen, weil andere Grundvoraussetzungen gegeben sind und dies rein gar nichts über den eigenen Wert als Menschen aussagt.
Eine Aussage wie „Man muss sich einfach überwinden und sich mehr ins Zeug legen“ oder ein „Akzeptiere dich, genau wie du bist!“ kann passend oder aber irreführend sein, je nach dem, ob jemand sich gerade zu wenig oder übermäßig in der Verantwortung sieht. Dem entsprechend kann es hilfreich sein, etwas mehr an sich zu arbeiten oder im Gegenteil den Mut zu haben, sich nicht dauernd anzupassen, je nach dem, wo man gerade steht.
In beiden Fällen ist es hilfreich, eigene Besonderheiten zu kennen und damit zu arbeiten: „Wenn ich es nicht auf diese Art schaffe, wie kann ich es stattdessen tun?“ - denn Selbstakzeptanz und Veränderung schließen sich nicht aus: Ein „Ich akzeptiere meine Stärken und Schwächen in diesem Moment so, wie sie sind“ und ein „Mit diesen Fertigkeiten, in dieser Situation, was wäre der nächste hilfreiche Schritt, den ich gehen könnte?“ dürfen sich ergänzen und gemeinsam dazu beitragen, Einfluss zu nehmen.
Anastasia Ruhrländer, geb. Zhukova
Psychologische Psychotherapeutin