'Böhmische Dörfer' - Von den Duppauer Bergen ins Egertal ... Kaštice - Kadaň-Prunéřov

'Böhmische Dörfer' ist in Sachsen so ein 'geflügeltes Wort' für etwas, was man nicht kennt.. Ist man dann aber mal dort, wo das Wort herkommt, lernt man sehr schnell lieben und schätzen, was man da sieht und erlebt.
Für den Autor fällt die Entstehung dieses Videos in die frühe Zeit sehr intensiver Bereisungen in Tschechien, inzwischen ist das komplette Netz schon seit Jahren 'im Kasten'..
Hier in Tschechien ging es in den 1990ern absolut locker zu auf der Eisenbahn. Es wurde zwar gewissenhaft gearbeitet, aber mache Sachen wurden nicht ganz so 'tierisch ernst' genommen. So kam es, daß der Autor nach Aufsagen seines 'Zaubersprüchleins' beinahe in jedem Führerstand Platz nehmen durfte. Aufnahmen teils unwiederbringlicher Art sind das Resultat.
Heute sind wir südlich des Egertals unterwegs, am östlichen Rand der Duppauer Berge, 'doupovské hory'. Wir fahren von Kaštice an der Strecke Žatec (Saaz)- Plzeň (Pilsen) nach Kadaň-Prunéřov (Kaaden-Brunnersdorf). Diese in Etappen zwischen 1881 und 1903 eröffnete Nebenbahn geht auf eine kurze Privatbahn zurück, die zum Abtransport landwirtschaftlicher Erzeugnisse von Kaštice bis zum nur 4 km entfernten Krásný Dvůr (Schönhof) entstand. 1884 wurde diese bis Radonitz an der heutigen Strecke Vilémov u Kadaně - Kadaňský Rohozec (Böhmisch Rust) verlängert, welche wiederum später bis Duppau (Doupov) verlängert wurde. Das alte abzweigende Planum kurz vor Vilémov u Kadaně können wir im Video noch sehen.
Als 1903 der nördliche Streckenteil in Betrieb ging, erhielt Vilémov u Kadaně (Willomitz) den heutigen Bahnhof, was dazu führte, daß die Duppauer Strecke nun von Kadaň aus angebunden war und die Anbindung von Kaštice aus zurückgebaut wurde. Vilémov u Kadaně war nun Abzweigbahnhof.
Der Nordast war topografisch anspruchsvoller, vor allem die imposante Egerbrücke vor Kadaň war ein 'harter Brocken' beim Streckenbau. Das erklärt die relativ späte Inbetriebnahme.
In den 1970er Jahren rückte der Kohleabbau im Böhmischen Becken auf der Südseite des Erzgebirges voran, es entstanden gigantische Tagebaulöcher, die riesige Flächen zu Mondlandschaften umfurchten. Viele Eisenbahnstrecken wurden mehrfach umtrassiert, einige verschwanden für immer in den Tagebaulöchern. Teilweise kann man heute noch Relikte sehen, aber das ist ein anderes Kapitel.
Unsere Strecke wurde 1978 zwischen Kadaň-Prunéřov und Kadaň předměstí (Kaaden Vorstadt) völlig neu trassiert. Der alte Brunnersdorfer Bahnhof und die alte Trasse der Egertalbahn wurden aufgegeben, wobei der Bahnhof selbst von der neuen Strecke aus angebunden blieb, um dort noch die Bedienung diverser Güterkunden sicherzustellen. Die neue Egertalbahn wurde etwa 1 km weiter nördlich auf bereits ausgekohltem Terrain errichtet, und es entstand der neue Bahnhof Kadaň-Prunéřov direkt neben dem Großkraftwerk Prunéřov. Von dort zweigt seitdem die neue Kadaňer Strecke ab, quert in einem großen Bogen die alte Trasse der Egertalbahn und verläuft ein Stück südlich des alten Bahnhofs, den man von dort aus gut sehen kann. Sie schwenkt dann nach Süden ab und kreuzt irgendwo vor der Stadt erneut die alte Trasse, aber dieses Mal 'ihre eigene'. Bald erreicht sie den neuen Bahnhof Kadaň.
In der Stadt Kadaň selbst ist die alte Trasse heute nur noch von Insidern nachvollziehbar, die wissen, wie sie früher verlief. Mit dem bloßen Auge sieht man nichts mehr.
Auch wenn es sich in den letzten Jahren leider etwas intensiviert hat, ging man in Tschechien stets - auch noch nach der Wende - sehr moderat mit Eingriffen in das Streckennetz um. Leider war nun gerade unsere Strecke eine der relativ Wenigen, die 2006 ihren Reiseverkehr südlich von Kadaň předměstí verlor. Sie ist aber nach wie vor existent und wird im Sommerhalbjahr an Wochenenden von Touristikzügen befahren. Man kann sie also immer noch bereisen.
Von Kadaň-Prunéřov aus bis Kadaň předměstí ist sie heute elekrifiziert und wird von der Linie U 1 Děčín hl.n. - Kadaň předměstí bedient.
Eine typisch böhmische Besonderheit weist der Bahnhof Kaštice auf. Hier zweigt unsere Strecke nicht ganz normal aus dem Bahnhof heraus ab, sondern in Form einer sogenannten 'böhmischen Bahnhofsspitzkehre'. Diese Form des Abzweigs von Nebenbahnen finden wir in Böhmen an mehreren Orten. Dies bedeutet, der abfahrende Zug wird zuerst als Rangierfahrt aus dem Bahnhof hinaus auf ein Stumpfgleis gedrückt, macht dort Kopf - und erst dort beginnt die Zugfahrt auf die spitz gegen den Bahnhof abzweigende Strecke. Einfahrten erfolgen analog umgekehrt. Wir sehen es im Video dokumentiert.
Wie es dem Güterverkehr südlich von Kadaň ergangen ist, ist nur spärlich nachlesbar. Er existiert noch 'auf dem Papier' - wie häufig diese Züge tatsächlich noch fahren, dafür werden gern sachdienliche Kommentare entgegen genommen.
Nun - einsteigen in die "Brotbüchse"! Genießt eine landschaftlich abwechslungsreiche Reise, hinab ins Egertal, ständig das nach Süden schroff abfallende Erzgebirge im Blick. Gute Fahrt!
Daten wie stets aus Wikipedia.