Bochum-Harpen-Kirchharpen - Das Geläut der St. Vinzentiuskirche

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stahlglocke

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15 күн бұрын

Bereits vor 1000 existierte der heutige Bochumer Stadtteil Harpen als Bauernschaft. Im 11. und 12. Jh. übertrugen Hüfner ihren Besitz der Abtei Werden, auch das Stift Essen hatte Anrechte in Harpen. In einem „Liber valoris“ (Werte-Buch) der Diözese Köln von 1310-16 wird Harpen bereits als eigene Pfarre erwähnt. Zu dem kleinen Kirchspiel gehörten die Bauernschaften Kirchharpen, Kornharpen und Gerthe. Harpen gehörte zu Gericht und Oberamt Bochum, mit dem Haus Wische war, neben Schulten- bzw. Meierhöfen, auch ein Rittersitz vorhanden. Die Vinzentiuskirche ist seit etwa 1575 evangelisch (lutherisch).
Neben den alten Bochumer Kirchen (Propstei, Langendreer, Stiepel, Weitmar) ist die Vinzentiuskirche die fünfte im Bunde, ihre Gründung wird um das Jahr 1000 vermutet. Nach einer einfachen Saalkirche, die an einen bereits bestehenden Wehrturm angebaut wurde, folgte um 1150-1200 eine Basilika, die ~1470 und ~1570 gotisch und im Renaissancestil erweitert wurde. Der Renaissance-Anbau im Süden wurde 1905/06 durch den „Harpener Anbau“ nach Plänen von. G. A. Fischer aus Wuppertal ersetzt. Seit der großen Sanierung 1974/78 ist die Kirche in ihrer mannigfaltigen Baugeschichte denkmalgerecht erlebbar. Hinweise zur Ausstattung finden sich im Film.
Besonderes Augenmerk gilt dem Turm. Er bestand als Wehrturm schon vor dem Bau der ersten Saalkirche zwischen 1000 und 1050. Im Lauf der Jahrhunderte marode geworden, drohte er um 1874 zu „platzen“, war also wohl von Rissen durchzogen. Einen kompletten Abriss lehnte die Gemeinde ab, und so wurde auf dem originalen Erdgeschoss 1876 der Turm neu aufgebaut, äußerlich freilich verändert und mit einem für die Region durchaus üblichen, gotischen Knickhelm versehen. Dieser Helm wurde durch eine Windhose im November 1940 zum Einsturz gebracht. Die 1951/52 aufgebrachte Turmhaube ist eine eigenständige Stahlkonstruktion nach Plänen von Tankred Pelargus, Dortmund. In ihrer Eigenwilligkeit darf sie in einem Atemzug mit den Turmgestaltungen in Dortmund, St. Reinoldi und Propstei und den beiden Johanneskirchen in Witten und Herne-Eickel genannt werden.
Im Turm befindet sich das älteste, erhaltene Geläut auf heutigem Bochumer Stadtgebiet. Aus der Geschichte der Glocken vor 1483 ist nichts bekannt, gleichwohl wird es im vor 1000 errichteten Turm, zumal bei einer Kirchspielkirche, Glocken gegeben haben. Heute bilden die zwei Glocken des Johannes von Dortmund das Geläut von St. Vinzentius, eine dritte Glocke, vermutlich die kleinste, wurde nach dem Brand der Kirche von Lütgendortmund ~1586 (oder nach 1594 nach Brandschatzung dort durch spanische Söldner?) nach dort verliehen oder verkauft. Von Johannes von Dortmund (auch Johannes Tremonia oder Johann Wynenbrock) sind noch ein weiteres Glockenpaar und mehrere Einzelglocken erhalten, den Bereich der sog. Dortmunder Schule (ein Vorgänger Wynenbrocks (?) und etliche Schüler von 1446 bis ins 16. Jh. (Christuskirche Langendreer!) bildet eine stattliche Reihe weiterer Glocken ab. Die beiden Harpener Glocken wurden, nachweislich einer bei der Kirche ergrabenen Gussgrube, vor Ort gegossen.
Oft als „Zwillingsgeläut“ bezeichnet, weichen die beiden Glocken im Detail (Kronen, Sprache der Inschriften) voneinander ab. Insgesamt haben wir hier eher schlichte (und späte) Werke des Gießers. Worttrenner, Medaillons etc. fehlen ganz, die Inschriften sind zwar in der gewohnt formschönen Gestalt gotischer Minuskeln und mit der Buchkunst des Mittelalters entlehnten Initialen versehen, gerade der Inschriftbereich ist jedoch teils unsauber und mit vielen Lehmeinschlüssen gegossen. Gleichwohl sind darunter die Lehmlinien vom Abziehen der Glockenform gut zu erkennen. Die in recht leichten Rippen gegossenen Glocken zeigen eine obertönige Klanggebung, hier sind aber auch die nicht idealen Klöppel mitverantwortlich.
Das Ende des 1. Weltkrieges verhinderte die geplante Abgabe der Glocken. Die Uhrglocke (1768 oder 1798, Ludwig Graff, Gummersbach, b‘‘, 458mm) war schon beim Sturm 1940 vom Turm gestürzt. 1942 abgeliefert wurde sie und auch die Marienglocke, die nach Intervention des Pfarrers jedoch nicht im Turm zerschlagen, sondern herabgelassen wurde. 1946 fand man beide Glocken im Sammellager Lünen wieder. Zum Reformationsfest 1946 erklangen wieder beide Glocken vom Turm. Weitere Anmerkungen zur Anlage finden sich im Film
Geläutedaten und Inschriften (nach DR. CLAUS PETER):
f‘ -1, 1114 mm, ~880 kg, 1484
Defu¯ctos pla¯go viuos voco fulgura fra¯go Du¯ trahor audite voco vos ad gaudia vite An¯o d´ m°cccclxxxiiii° maria vocor
fis‘ +1,5, 1070 mm, ~790 kg, 1483
Se vincencius so byn ych genant wan ych rop so komet to ha¯t ioha¯es tremo¯ie me fecit Anno d¯ni 1483 Jh¯s maia ioh
Aufnahmen: 29.04.2024
Bis auf die historische Darstellung der Kirche alle Fotos eigener Provenienz.
Herzlicher Dank gilt Pastor Dettmann für die Erlaubnis zur Erstellung dieser Dokumentation und vor allem für das geschenkte Vertrauen!
Verwendete Quellen/Literatur: Siehe erster, markierter Kommentar.

Пікірлер: 10
@stahlglocke
@stahlglocke 14 күн бұрын
Verwendete Quellen/Literatur: DR. CLAUS PETER: Inventarisationsbericht des Harpener Geläuts. Hamm, o. J., vermutlich 2009. Karteikarten der Inventarisation durch DR. CLAUS PETER im Auftrag des westf. Landesamtes für Denkmalpflege von 1983 sowie ein Antwortschreiben des Leiters des Glockenmuseums in Gescher, PETER GÖB, auf eine Anfrage zu den Glocken aus der Kirchengemeinde. Aus dem Archiv der Kirchengemeinde frdl. übermittelt durch das Archiv der ev. Landeskirche Westfalens in Bielefeld. Quelle dort: LkA EKvW 4.256 Nr. 318. A. LUDORFF: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Bochum-Land (Reihe „Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen“). Paderborn, 1907. DR. CLAUS PETER: Dortmunder Glockengießer im 15. Und 16. Jahrhundert. In: Die Glocken der Dortmunder Stadtkirchen. Bestand - Geschichte - Quellen. Stiftung Denkmalswerte Kirchen der Ev. Kirche in Dortmund und Lünen (Hrsg.). Dortmund, 2010. KURT KRAMER (Hrsg.): Die deutschen Glockenlandschaften/Westfalen, bearbeitet von DR. CLAUS PETER, MC und Begleitheft, Deutscher Kunstverlag München, 1989. KARL WALTER: Glockenkunde. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 1913. Evang. (luth.) Kirchengemeinde Harpen (Hrsg.): St. Vinzentius-Kirche zu Bochum-Harpen (Kirchenführer). Bochum, 1997. CHRISTEL DARMSTADT (Hrsg.): RÜDIGER JORDAN: Sakrale Baukunst in Bochum, Verlag Schürmann + Klagges, Bochum, 2003, S. 78, 80-81 und 223. GUSTAV K. OMMER: Neue Orgeln im Ruhrgebiet: von 1945 bis zur Gegenwart. Mercator-Verlag Duisburg 1984. RAIMUND TRINKAUS: Die drei historischen Glocken im Turm der Christuskirche Langendreer (I), konsultiert am 07.05.2024, abrufbar unter: www.raimund-trinkaus.de/Beitraege/Die%20drei%20historischen%20Glocken%20(I).pdf Netzauftritt der Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e. V. in Mönchengladbach, konsultiert am 12.05.24: www.glasmalerei-ev-web.de/pages/b1279/b1279.shtml Eigene Sichtung des Geläuts am 29.04.2024.
@KhanBell-tk1rd
@KhanBell-tk1rd 14 күн бұрын
Süßes Duett
@glocken_lucagans
@glocken_lucagans 14 күн бұрын
Das ist doch wieder mal eine klasse Präsentation, die du hier zusammengebastelt hast! Auch mal eher ungewöhnlich mit Einzelglocken :-) Ich finde die unterschiedlichen Inschrifttypen hier wirklich bemerkenswert, jetzt wäre noch spannend zu wissen, welche auf anderen Glocken dieses Gießers verwendet wurden. Claus Peter hat zumindest die meisten doch bestimmt schon inventarisiert, vielleicht kann man da mal nachfragen? Klanglich finde ich es eigentlich ganz gefällig, besonders der mitschwebende Summton hat was. Doch warum hat man 1483 nicht gleich beide Glocken neugegossen? Vielleicht war das ja sogar der Fall, aber schon ein Jahr später musste die große erneuert werden? Schade, dass du an keine Abbildung der Kirche vor dem Turmneubau gelangt bist, falls es überhaupt noch eine gibt. Das hätte mich jedenfalls noch interessiert. Die Bergmannsfenster sind natürlich sehr passend, gefallen mir aber auch unabhängig vom Thema gestalterisch recht gut. Darf man nach 17:00 nun also am Gebäude knabbern? ;-) Ohne jetzt direkt bei dieser Kirche gewesen zu sein, kann ich dem letzten "Statement" im Film nur zustimmen: Trotz aller Vorurteile gibt es eine ganze Reihe wirklich schöne und sehenswerte Ecken (ich denke hier auch vor allem an Westerholt, Werden, etc.) Sehr schön!
@stahlglocke
@stahlglocke 14 күн бұрын
Na da sage ich doch Danke! Für den Guss der beiden Glocken gibt es natürlich einige Szenarien, erschwert aber durch die unterschiedliche Inschriftgestaltung und die Bezeichnung der kleinen, nicht aber der großen Glocke. Die Inschrift der Vinzentiusglocke ist in ähnlicher Form in Langendreer zu finden und für Stiepel bezeugt. Die der Marienglocke findet sich in sehr ähnlicher Form z. B. auf der Soester Marienglocke. Von Dortmunds letzte bezeichnete Glocke ist von 1485. Vielleicht war hier ja bereits eher die "Schule" am Werk? Ich weiß nicht, ob es im landeskirchlichen Archiv überhaupt noch Dokumente aus der Zeit gibt. Wäre aber sicher spannend, das mal zu eruieren. Das Logo zum Ende findet sich auf einem am Turm stehenden Getränke- oder Imbisswagen. Und "Vinz!" heißt auch der Gemeindebrief. Ich fand das nett zu zeigen. Was die Romantik betrifft, so ist die Kirche der weitum letzte Rest der alten Bauernschaften. Man hört im gesamten Verlauf die A40 rauschen, unmittelbar in der Nähe liegt der Ruhrpark, eines der größten Einkaufszentren Deutschlands.
@engelbertschoormans
@engelbertschoormans 13 күн бұрын
Wow! Sehr schöne Präsentation mit Information die angenehm zu lesen ist! Heisst das, das Lüdinghausen das andere Glockenpaar ist?
@stahlglocke
@stahlglocke 13 күн бұрын
Vielen Dank! Die beiden Lüdinghäuser Glocken sind 1500 gegossen, also bereits der "Dortmunder Schule" zuzuweisen. Lt. PETER ist die letzte unmittelbare von-Dortmund-Glocke von 1485. Das zweite erhaltene Glockenpaar hängt in Rahrbach im Kreis Olpe (Sauerland), 2 Glocken von deutlich besserer Gestaltung als die in Harpen. Zu finden unter: kzbin.info/www/bejne/q6C5YqJnoLirrKs
@GlockenlandschaftNiedersachsen
@GlockenlandschaftNiedersachsen 14 күн бұрын
Ein charmantes Geläut! Wird es aber nicht eher f' ges' geschrieben als wie hier angegeben f' und fis'?
@stahlglocke
@stahlglocke 14 күн бұрын
Ich habe es erstmal so aus den Analysen des Sachverständigen übernommen.
@bellspotter
@bellspotter 14 күн бұрын
Ein Duett, das Charme versprüht - gerade die leichten Rippe ''macht's'' hier irgendwie. Ganz große Klasse! Der Uhrglocke in der Laterne hast du keinen Besuch abgestattet, schätze ich?
@stahlglocke
@stahlglocke 14 күн бұрын
Nein dort oben war ich nicht und dafür gibt es einen triftigen Grund: Ich bin nicht schwindelfrei und ein miserabler Kletterer. Dort oben kopfüber eine unbekannte Luke zu öffnen und da auch noch durch zu klettern ist für mich schlicht unvorstellbar. Die Glocke trägt folgende Inschrift (lt. PETER): Rocailleornament, darunter Antiquainschrift: ALLEIN GOTT IN DER HA SEY EHR LUDWIG GRAFF VON GOMMERBACH FIEZET [sic!] 1768 [oder 1798]. Die 6 ist liegend angebracht und kann je nach Drehung als 6 oder 9 gedeutet werden. Klanglich ist sie sehr bescheiden und zudem mit einem bereits 1983 vorhandenen Schutzanstrich versehen, der bei der jüngsten Turmsanierung offensichtlich erneuert worden ist.
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