Mühlhausen/Thür. (D-UH/MHL) - Die Glocken der ev. St. Nicolaikirche

Hiermit wünsche ich allen Zuschauern einen besinnlichen 3. Advent!
Direkt westlich der Mühlhäuser Innenstadt befindet sich die größte und bedeutendste der ehem. Vorstadtkirchen, St. Nicolai.
Die Kirche wurde 1314 mit dem Chor beginnend für einen Vorgängerbau errichtet, blieb aber noch unvollendet. Der Turm wurde bis 1339 angefügt, im 15. Jhd. erfolgten weitere baulicher Veränderungen. Erst 1897-1898 erhielt St. Nicolai die heutige Gestalt, als die Nordwand erhöht, das Kreuzrippengewölbe eingezogen und das Innere in neugotischer Manier nach Plänen von Wilhelm Röttscher umgestaltet wurde.
1994/95, sowie 2000 erfolgte eine Sanierung des Turmes bzw. Daches. Wegen Bauschäden, die z. T. schon im letzten Jahrhundert auftraten, ist der Turm heute leider dennoch in keinem guten Zustand und entsprechend von der zu sehenden Konstruktion umhüllt.
Aus diesem Grund wurde der Glockenstuhl des 18. Jhd. vom Oktogon in das oberste quadratische Turmgeschoss versetzt, die ehem. Unterkonstruktion zeugt jedoch noch vom ursprünglichen Standort.
In Quelle 3 wird über eine geringe Anzahl von Überlieferungen zur Glockengeschichte der Kirche berichtet. Im 19. Jhd. waren wohl ebenfalls drei Glocken vorhanden. Die größte von ihnen wurde 1857 von Ernst Rumpel in Mühlhausen aus einer Glocke von 1380 umgegossen. Sie wurde bereits im 1. Weltkrieg vernichtet. Des Weiteren gab es eine kleine Glocke von 1507, ihr Verbleib war anhand der vorhandenen Quellen für Claus Peter nicht zu ermitteln, sie wird aber auch in einem der beiden Weltkriege vernichtet worden sein. Erhalten hat sich lediglich die mittlere Glocke. Dieses Werk eines unbekannten Meisters wurde 1505 gegossen und wird von gotischen Minuskeln geschmückt, wobei das "A" von "Anno" freihand geformt ist [4:55]. Geziert wird sie außerdem von plastischen Darstellungen von Anna Selbstdritt bzw. eines Bischofs. Letzterer könnte entweder Vitus (vgl. Inschrift) oder Nikolaus darstellen.
Die beiden abgegangenen Glocken wurden 1959 mit Eisenglocken aus Apolda ersetzt.
Während Claus Peters Inventarisierung hing das gesamte Geläut noch an gekröpften Jochen. Inzwischen darf das historische Instrument wieder an einem graden Joch läuten, bei der Neuaufhängung wurde die Glocke um 90° gedreht. In Quelle 3 wird die Oberfläche außerdem als stark korrodiert beschrieben. Da dies augenscheinlich nicht mehr der Fall ist, wird sie wohl bei Lachenmeyer instand gesetzt worden sein.
Ob das Gotteshaus St. Nicolai (mit "c") oder St. Nikolai (mit "k") heißt, lässt sich interessanterweise nicht wirklich feststellen, da zahlreiche Quellen sich darin widersprechen. So ist die Schreibweise in den Quellen 1&3 oder auf der Internetseite der Stadt Mühlhausen mit "k", in Quelle 2 bzw. auf der Internetseite des Kirchenkreises mit "c". Da für letztere eher die Ortsansässigen verantwortlich sein dürften, habe ich mich aber für diese Schreibweise entschieden.
Zur Außenaufnahme: Leider ist der Turm zur wohl vielbefahrensten Kreuzung an einem Sonntagmorgen in Mühlhausen gerichtet, sodass es praktisch keine gute Aufnahmeposition gibt. So ist die Aufnahme sehr von extremen Autolärm gestört und ich bin froh überhaupt eine einigermaßen ruhige Minute daraus ziehen zu können.
Glocke 1: as'+4, 1959, Schilling & Lattermann, Apolda
ca. 700 kg, 1184 mm
Glocke 2: b'+9, 1505, unbezeichnet
ca. 470 kg, 895 mm
Glocke 3: des''+7, 1959, Schilling & Lattermann, Apolda
ca. 300 kg, 871 mm
Ablauf:
00:00 - Bilder der Kirche
01:08 - Glocke 3
03:30 - Glocke 2
06:15 - Glocke 1
08:45 - Vollgeläut
13:00 - Vollgeläut von außen
14:00 - Vollgeläut
Ein herzliches Dankeschön gilt Herrn Piontek für die Erlaubnis zur Aufnahme, Frau Hochhaus für die Vermittlung, sowie Herrn Franke für die Ermöglichung und das Vertrauen! Außerdem danke ich Hendrik für die schönen Tage in Mühlhausen!
Quellen:
1: Wikipediaeintrag "St. Nikolai (Mühlhausen)": de.wikipedia.org/wiki/St._Nik...)
2: Infoschild vor der Kirche
3: Claus Peter: Die Glocken der Stadt Mühlhausen/Thüringen, Arbeitsheft des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege, Folge 10, Erfurt 2002
Aufnahmen:
Innen: Freitag, den 28. Oktober 2022 (Sonderläuten)
Außen: Sonntag, den 23. Oktober 2022, um 9;50 zum Gottesdiensteinläuten

[@dreikoenigsglocke]

Die Glocke 2 ist wirklich ein wunderschönes Exemplar! Ein sehr interessant und einmaliges Klangbild. Alles in Allem harmoniert wirklich gut miteinander. Gelungene Präsentation!

[@glocken_lucagans]

Danke!

[@glockenlandschaft_thueringen]

Ein interessantes Mischgeläut. Die historische Glocke klingt schon speziell. Gelungenes Video;-)

[@glockenzeit]

Heute ist aber bereits der dritte Adventssonntag ;-)

[@glocken_lucagans]

Ich bin einfach noch viel zu wenig in Weihnachtsstimmung :/

[@glockenzeit]

@@glocken_lucagans gut, wenn es nach der Weihnachtsstimmung geht ist sicherlich für viele noch Jahreskreis... ;-)

[@gorlitzerglockengelaute1550]

Symphatisches Trio! Glocke 2 gibt hier die Würze, auch wenn ihr Klöppel mir bisschen zu massiv erscheint. Schönen 3. Advent noch!

[@glocken_lucagans]

Vielen Dank!

[@GKD2015]

Ich gehe mal davon aus, dass die Gemeinde noch ein bisschen länger etwas von ihrer historischen Glocke haben möchte... Unter der Dresche von dem aktuellen Klöppel dürfte es allerdings nicht mehr so lange dauern, bis damit auch Schluss ist. Da bringt dann auch die gerade Aufhängung nichts... Aber an sich ja ein ganz interessanter Bestand.

[@glocken_lucagans]

Wir haben auch festgestellt, dass sich da alles bei Glocke 2 deutlich mehr bewegt, als beim Rest. Es war wohl Glocke 1 längere Zeit stillgelegt, dabei ist die gar nicht das Problem. Vielleicht wird dann das historische Exemplar hier aus zweierlei Gründen nicht mehr zu hören sein. Hoffen wir aber, dass es nicht so weit kommt!