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Hunderttausende Anträge zur Kurzarbeit, Abrechnungen, ein Rekordanstieg an Beratungen: Das Arbeitsmarktservice gehört zu den wichtigsten Playern der Krisenbewältigung. Für den Fall, dass die Gesundheitskrise nicht im Frühjahr 2021 bewältigt wird, gibt es keine Vorbereitung, mahnt AMS-Chef Herbert Buchinger.
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In einer verkehrsberuhigten Seitenstraße im 20. Wiener Gemeindebezirk residiert das AMS Österreich in einem bescheidenen Bürohaus. Maske ist - wie üblich - Pflicht, und manchmal sind sie die einzigen Farbtupfer auf den kahlen Gängen. Wir treffen AMS-Vorstand Herbert Buchinger äußerst gut gelaunt und geduldig, während wir noch die letzten Vorbereitungen für unser Videointerview abschließen.
Buchinger ist der zurückhaltende der beiden obersten Köpfe des AMS. In der Öffentlichkeit wesentlich präsenter ist sein Vorstandskollege Johannes Kopf, der sich aber gerade in den vergangenen Monaten von Buchinger krankheitsbedingt vertreten lassen musste. So lag es allein am Juristen Buchinger, das AMS durch seine größte Bewährungsprobe zu führen.
Das Videointerview in Auszügen:
Arbeit&Wirtschaft: Sie haben im März und im April die Kurzarbeit federführend mitverhandelt. Wie blicken Sie jetzt auf diese Zeit zurück?
Herbert Buchinger: Mich wundert, dass wir das bewältigt haben. Zum Zeitpunkt, als die Kurzarbeit verhandelt wurde, hat niemand damit gerechnet, dass wirklich beinahe 110.000 Betriebe Anträge stellen werden und wir am Höhepunkt 1,3 Millionen Beschäftigte zur Kurzarbeit angemeldet hatten. Aber wir haben es geschafft, Gott sei Dank.
Das AMS stand klarerweise im Zentrum des Geschehens. Aber die Sozialpartnerschaft war plötzlich auch wieder gefragt.
Es war auffällig, dass bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Gesundheitskrise die Sozialpartner die ersten Ansprechpartner der Regierung waren. Im Wesentlichen wurde das Kurzarbeitsmodell, das dann umgesetzt wurde, von den Sozialpartnern entwickelt. Das Ergebnis hat die Regierung beinahe eins zu eins übernommen.
Reichen die Mittel des AMS in der größten Krise des Arbeitsmarkts in der Zweiten Republik? Das hänge von der Erwartungshaltung ab, meint AMS-Chef Herbert Buchinger diplomatisch.
Wie hat sich der Beratungsalltag im AMS verändert - in Anbetracht der Infektionsgefahr und der Rekordarbeitslosigkeit?
Mit dem Lockdown konnten wir bis Anfang Mai Kund*innen gar nicht mehr zu persönlichen Gesprächen einladen. Wir mussten alles auf die elektronischen Kanäle und das Telefon verlagern. Wir haben das auch nach dem Lockdown großteils beibehalten, weil ja immer noch Ansteckungsrisiken bestehen. Gerade jetzt, wo die Fallzahlen steigen, haben wir die persönlichen Kontakte wieder auf ein Minimum reduziert.
Können Sie das an Zahlen festmachen?
Heute haben wir viel mehr Beratungsgespräche als 2018 oder 2019 - nur viel weniger persönliche. Und auch nicht so intensiv, denn am Telefon fasst man sich eben kürzer. In den vergangenen beiden Jahren hatten wir die Faustregel: 90 Prozent der Kundenkontakte persönlich, 10 Prozent per Telefon oder per E-Mail. Jetzt ist es genau umgekehrt.
Wie viel Zeit haben Berater*innen für einen Termin zur Verfügung?
Unsere Personalbedarfsrechnung geht von dreißig Minuten Beratungszeit pro Kund*in pro Monat aus. Das gelingt derzeit nicht - jetzt sind wir bei 15 bis 20 Minuten pro Monat.
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ZUR PERSON:
Der Jurist Herbert Buchinger machte nach seiner Gerichtspraxis am Kreis- und Bezirksgericht Wels 1985 schnell Karriere: Mit Zwischenstationen am Landesarbeitsamt Oberösterreich als Sachbearbeiter über das Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Abteilungsleiter wurde er nur neun Jahre später zum AMS-Vorstandsvorsitzenden bestellt.