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Emil Cioran - Lerne, ein Verlierer zu sein

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Demien Bartok

Demien Bartok

7 жыл бұрын

(von Burkhard Reinartz, Deutschlandfunk 2016)
Zitate von E. M. Cioran:
Es gibt in der Tatsache, geboren zu werden, einen solchen Mangel an Notwendigkeit, dass man, wenn man einmal mehr als gewöhnlich darüber nachdenkt, mit einem dümmlichen Lächeln dasteht, weil man nicht weiß, wie man sich verhalten soll.
Von sich selbst eingenommen - nicht im Sinne von Dünkel, sondern von Reichtum -, von innerer Unendlichkeit und extremer Spannung gepeinigt sein bedeutet, mit so viel Heftigkeit leben, dass man fühlt, man sterbe wegen des Lebens.
Wenn die Sonntagnachmittage sich über Monate hindehnten, wohin gelangte dann die Menschheit, die von der Last ihres ältesten Fluchs - von der Arbeit im Schweiße ihres Angesichts - befreit wäre? (...) Die in ihrer ganzen Unermesslichkeit erlebte Zeit ließe jede einzelne Sekunde zur Folter werden. - Das Weltall, verwandelt in einen Sonntagnachmittag: das ist die Definition der Langeweile - und der Untergang des Weltalls... Man befreie die Geschichte von dem Fluch, der über ihr schwebt: sie erlischt im gleichen Augenblick. (...) Müßiggänger erfassen mehr von den Dingen als Geschäftige, dringen tiefer als diese in sie ein: ihren Horizont begrenzt keinerlei Arbeit. In einen ewigen Sonntag hineingeboren, lassen sie ihre Blicke schweifen, betrachten sich selbst, während sie betrachten. (Faulheit ist eine physiologische Skepsis, ist das Zweifeln des Fleisches.) In einer dem Müßiggang anheimgefallenen Welt würden sie die einzigen sein, die nicht Mörder wären. Indes, sie gehören nicht zur Menschheit, Arbeit im Schweiße des Angesichts ist nicht ihre Stärke, und so fristen sie ihr Leben, ohne die Folgen des Lebens und der Erbsünde tragen zu müssen. Weder Gutes noch Böses tuend. Zuschauer der in Zuckungen sich windenden Menschheit, verachten sie den Kräfteaufwand, der das Bewusstsein erstickt.
Es gibt Nächte, die der einfallsreichste Folterer nicht erfinden könnte. Man kommt aus ihnen in Bröseln hervor, stumpfsinnig, verwirrt, ohne Erinnerungen und Vorahnungen, und auch ohne zu wissen, wer man ist. Dann geschieht es, dass der Tag unnötig scheint, das Licht verderblich und noch bedrückender als die Finsternis.
Ich kenne eine alte Närrin, die jeden Augenblick den Einsturz ihres Hauses erwartet und Tag und Nacht darauf lauert; sie läuft in ihrem Zimmer herum, horcht auf jedes Knistern und ist ganz verstört, weil das Ereignis noch nicht eintritt. In einem größeren Rahmen gleicht das Benehmen dieser Alten dem unsrigen. Wir rechnen mit dem Zusammenbruch, auch wenn wir nicht daran denken.
Jedes Leben ist die Geschichte eines Zusammenbruchs. Biographien sind derart fesselnd, weil die Helden ebenso wie die Feiglinge sich abmühen, in der Kunst des Umkippens Neuerungen einzuführen.
Alles Atmende lebt von Unnachweisbarem. Ein Mehr an Logik würde unserem zum Widervernünftigen hinstrebenden Dasein zum Verhängnis.
Um das Wesentliche aufzuspüren, darf man keinen Beruf ausüben. Den ganzen Tag liegenbleiben und seufzen….
Der Augenblick, wo wir glauben alles verstanden zu haben, gibt uns das Aussehen eines Mörders.
Die Einsamkeit lehrt dich nicht, dass du einsam, sondern der Einzige bist.
Bleichheit verrät, inwieweit der Leib die Seele verstanden hat.
In den Zuständen der Müdigkeit gleiten wir hinab bis zum tiefsten Punkt der Seele und des Raumes, zu den Antipoden der Ekstase, zu den Quellen der Leerheit.
Die Zeitspanne zwischen meiner Geburt und meinem Tod empfinde ich als Wunde.
Wenn man niemanden mehr haben wird, an den man sich wenden kann, wird man endlich der sein, der man war, bevor man in einen Namen stürzte.
Nur ein Idiot ist dazu ausgerüstet, aufzuatmen.
Wir rennen nicht dem Tod entgegen, wir fliehen vor der Katastrophe der Geburt.
Was ich von morgens bis abends mache? Ich erdulde mich.
Man stirbt am Wesentlichen, wenn man sich von allem entbindet.
Der Mensch ist nur im Hass persönlich. (...) Es gibt keine Tat ohne Hass. Die Liebe rechtfertigt die Taten, aber ist nicht deren Beweggrund. Jedesmal, wenn sich der Hass in mir verringert, habe ich den Eindruck, für diese Welt heillos verloren zu sein. Nur im Hass fühle ich mich als Kreatur. (...) Gute Menschen haben kein Gesicht.
Dabei gibt es keine Überlegung von Rang, die nicht aus einer Trunkenheit, einem Verlust der Kontrolle, einer Fähigkeit, in die Irre zu gehen und somit sich zu erneuern, entspringt.
Meditieren heißt, in eine Idee aufgehen und sich darin verlieren, während Denken heißt, von einer Idee zur anderen hupfen, sich in der Quantität tummeln, Nichtigkeiten anhäufen, Begriff auf Begriff, Ziel auf Ziel verfolgen. Meditieren und Denken, das sind zwei divergierende, unvereinbare Tätigkeiten.
Es gibt Menschen, die in der Welt der Formen begonnen haben und in absoluter Konfusion enden. Deshalb können sie nur noch poetisch philosophieren. In der absoluten Verwirrung zählt nichts mehr, außer die Schmerzen und die Lüste des Wahnsinns.

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