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Der Untergang der Titanic im Jahre 1912 markiere eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts, sagt Prof. Dr. Peter Sloterdijk in seinem Vortrag am 20. Juni 2023 an der Universität Luzern. Die Titanic hätte nach den Plänen seiner Erbauer gar nicht untergehen dürfen, man hielt sie für unsinkbar. Das gigantische Schiff war nach Sloterdijk ein Vorzeichen jener Hybris des Menschen, die Natur vollständig beherrschen zu wollen. Diese Hybris führe in die heutige Klimakrise, lautet eine der Thesen des deutschen Philosophen. Im Video sehen Sie Impressionen des Vortrags und der anschliessenden Diskussion von Prof. Dr. Peter Sloterdijk mit Dr. René Scheu, Geschäftsführer des IWP, in Luzern.
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Soundcode: LNMPHIJ7WGYBSVHM
Inhalt
Spektabilität, Herr Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Liebe Studenten, Kollegen, Dozenten, Verehrte Gäste von nah und fern, Wir alle sind gekommen, um Peter Sloterdijk zu hören. Peter Sloterdijk ist ein Denker eigener Art. Peter Sloterdijk zählt zu den bedeutendsten Philosophen der Gegenwart. Sein Opus ist umfangreich, sein Stil ist einzigartig, Man möchte sagen, ein Denker einer vergangenen Zeit, die noch nachwirkt. Also, einer der letzten seiner Art. Ich bin dir, Peter, ausserordentlich dankbar dafür, dass du, zusammen mit Bea, den Weg an den Vierwaldstättersee auf dich genommen hast. Eben warst du noch auf einem Podium mit dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck in Köln, zwischendurch warst du in Südfrankreich, und heute bist du in Luzern. Lassen Sie mich einfach eine kleine Geschichte erzählen, um ein Emblem, ein echtes Emblem des 20. Jahrhunderts zu zitieren. Ich tippe auf den Untergang der Titanic, der 14. April 1912, hat sich in das kollektive Gedächtnis der Europäer eingeprägt. Sie wissen sicher, dass die Titanic kein singulares Tantum war. Es war zwar das grösste Schiff seiner Serie, es hat aber zwei Schwesterschiffe. Das eine hiess die Britannic, und das andere hiess Olympic. Sie fangen an mit Britannic, sie steigern das Olympic, und das wird weiter gesteigert zu Titanic. Denn wer von den Olympiern zu den Titanen weitergeht, stellt die alt-mythologische Ordnung Europas auf den Kopf. Also unser Thema ist der Gigantismus. Unser Thema ist die Tatsache, dass an Bord eines solchen Schiffes ein ganzes, wenn Sie so wollen, ein schwimmendes Kohlerevier auf den Meeren unterwegs ist. Und unser Thema ist auch dies, dass wenn ein solches Schiff sinkt, zwar eine grosse Lücke bleibt, und die symbolische Katastrophenwahrnehmung sorgt für eine entsprechende Vergrösserung. Aber 50 Jahre später, was geschieht? Man baut ein neues. Die Elektrizität war, wenn Sie so wollen, eine Art, ein neuartiger Gottesbeweis, der in der Form von Kontaktschlägen sich mitteilen konnte. Stellen Sie sich so eine Landschaft vor, wie in einem amerikanischen Western. Am 10. Januar ist man in einer Tiefe von 30 Metern, was für normale Bohrungen so gut wie gar nichts ist, weil man dann noch einen Monat lang weiter bohren muss, und an diesem Tag passiert aber etwas Merkwürdiges. Plötzlich geht ein ungeheurer Ruck durch das Bohrgestell, und eine über 100 Fuss hohe Ölfontäne schiesst aus dem Boden, und beruhigt sich die nächsten zehn Tage nicht mehr. Das ist die eigentliche Urszene des 20. Jahrhunderts. Die Natur drängt gewissermassen den Menschen, obwohl sie nur ein bisschen gekratzt haben, an der Erdoberfläche. Und plötzlich ereignet sich so ein massloses Entgegenkommen der Natur in der Gestalt eines unermesslichen Überangebots von brennbarer Materie. Wir leben von Energie, wir leben vom brennbaren Materie, von den unterirdischen Wäldern, die wir verfeuern. Das ist das Wesen unseres Lebensstils. Und jetzt ganz konkrete Frage: Heisst, grün zu sein, sich dieses Zusammenhangs bewusst zu sein? Also die grüne Logik baut auf der Vorstellung auf, dass im Jahreszyklus eine natürliche Fruchtbarkeit zum Tragen kommt, an deren Ergebnissse sich das menschliche Wirtschaftshandeln anschliessen sollte. In deinem neuen Buch «Die Reue des Prometheus» warnst du einerseits, ich zitiere, «vor der fortlaufenden organisierten Brandstiftung der Industriegesellschaften und ihrer Nachahmerstaaten in den unterirdischen Wäldern» und andererseits warnst du aber auch vor einem «Öko-Leninismus, in dem eine kleine Minderheit, im Namen der Naturerhaltung, die Macht ergreift und die Mehrheit gleichsam terrorisiert». Wie sieht dann der goldene Mittelweg aus? Ein Mittelweg würde dann beschritten, wenn ich Stimme von Bruno Latour aus dem Grabe weiter sich entfalten würde, der so etwas wie ein ökologisches Klassenbewusstsein postuliert.