Gibt es eigentlich nach ihrer Auffassung auch brauchbare Philosophen ?
@grundkursphilosophie190021 күн бұрын
So leicht lässt sich diese Frage gar nicht beantworten. Vielleicht hilft ein Gleichniss. Wenn Sie heute an etwas erkranken, dann fangen Sie auch nicht an, in mittelalterlichen Schriften nach einer Therapie zu suchen. Oder in der Alchemie, wenn es darum geht, einen neuen Werkstoff zu entwickeln. Seltsamer Weise hält sich aber in der Philosophie hartnäckig der Glaube, dass da manche von den Alten im Besitz einer höheren Wahrheit gewesen sind. Sind sie nicht. Meistens waren das sehr kluge Leute, die sich halt mit dem Wissen und den begrifflchen Mitteln ihrer Zeit einen Reim auf die Dinge zu machen versucht haben. Für einen Historiker mag das von Interesse sein, für jemanden, der unsere Welt heute verstehen will, kaum noch. Freilich gab es dann auch Autoren, die bis an die Grenzen des Wissbaren Ihrer Zeit gegangen sind, wie z.B. Spinoza. Der war seiner Epoche teilweise um gut 300 Jahre voraus. Herder gehört in meinen Augen auch in die Reihe dieser Art redlicher Denker. Auf der anderen Seite gab es aber auch die Scharlatane, wie Kant, Fichte, Schelling, Hegel oder auch Wittgenstein, die auf die Unwissenheit ihrer Zeitgenossen setzten, um ihnen höhere Weißheit vorzugaukeln.
@NRWTx21 күн бұрын
@@grundkursphilosophie1900 Danke für Ihre Antwort. Denken sie an Spinoza, weil er ein wissenschaftliches Bild der Welt vertritt? Einstein sagte ja mal, dass wenn er an Gott glauben würde, dann würde er sich ihn wie Spinoza's Gott vorstellen. Und an Herder, weil er ein Vorläufer des modernen Kultur-Relativismus ist, und damit der modernen wissenschaftlichen Methode in der Anthropologie? Was wurden sie von einer These halten, die z.b. auf Philippe Descola's Arbeit in der Anthropologie aufbauen würde und sowas vertreten wurde wie: von allen Kulturen der Welt, hat allein die abendländische Kultur den Naturalismus entwickelte, d.h. die Idee eines Menschen unabhängig und getrennt von der Natur, die wiederum aus geistlosen Dingen besteht, aus bloßer Materie und Stoff, der mit uns keine Verbindung hat und auf den wir darum grenzenlose Verfugung haben. Dieses Weltverstehen ist wiederum die Voraussetzung für die moderne Wissenschaft (Positivismus), aber auch für die blinde Zerstörung unserer Umgebung. Thesen wie diese höre ich oder lese ich z. B. in ökologisch geprägten Kreisen und generell halt in der Anthropologie wie bei Mircea Eliade. Aber das ist auch eine Idee, die sich ähnlich bei Hegel oder Heidegger wiederfindet (und generell halt eine These, die aus dem Historizismus kommt), also bevor ein Anthropologe wie Descola diese These auch durch Empirie gründen konnte.
@grundkursphilosophie190021 күн бұрын
Oh, Antropologie ist nicht mein Schwerpunktthema. Dazu kann ich nur wenig beitragen. Was Einstein und Spinoza betrifft, so geht meine Einschätzung in dieselbe Richtung wie diejenige Einsteins. Im Übrigen glaube ich aber nicht, dass Spinoza ein wissenschaftliches Bild unserer Welt vertritt. Vielmehr liefert er den ersten plausblen Ansatz, wie man alltägliches und wissenschaftliches Weltbild unter einen Hut bringt mit Gott als Klammer. Siehe dazu mein Video zu Spinoza, von dem es dieses Jahr noch mal eine Aktualisierung geben soll.