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Christian Fleck
(Karl-Franzens-Universität Graz)
»Welcher Kracauer für welche Soziologie?«
Über »Kracauer und die Soziologie« zu sprechen, setzt erstens voraus, dass man in Kracauers Werk zumindest drei verschiedene Varianten soziologischer Beiträge auseinanderhält: (1) Seine frühe eher philosophisch inspirierte Abhandlung mit Soziologie im Titel, (2) Die Angestellten und (3) seine im Umfeld des Bureau of Applied Social Research entstandenen Texte der 1950er Jahre. Zweitens muss man wohl auch »Soziologie« näher eingrenzen und zwischen verschiedenen Ausprägungen dieser Disziplin nach Land/Sprache, theoretischer Orientierung etc. unterscheiden. Erst nach diesen Differenzierungen wird es möglich sein, etwas dazu zu sagen, ob Kracauer heute noch »anschlussfähig« ist.
Claudia Honegger
(Universität Bern)
»Mit Kracauer von Frankfurt nach Paris«
Nach Abschluss des Soziologiestudiums in Frankfurt hatte ich die Absicht, für ein Jahr nach Paris zu gehen, um als Postgraduierte an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales bei Pierre Bourdieu und bei Historiker_innen der Annales-Schule, die ich bei meiner Arbeit über den Hexenwahn kennen gelernt hatte, zu studieren. Aus dem einen Jahr sind fünf geworden. Hierbei war Siegfried Kracauers Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit der auch und gerade soziologisch wichtigste Text für mich, um mich dieser Stadt annähern zu können. Ich werde folglich dieses Buch ins Zentrum meiner Ausführungen zu Kracauer und die Soziologie stellen.
Sighard Neckel
(Universität Hamburg)
»Die Wirklichkeit faschistischer Propaganda. Siegfried Kracauers politische Aktualität«
Siegfried Kracauer hinterließ mikrologische Modellanalysen einer emblematischen Soziologie, deren empirische Dichte, typologische Genauigkeit und literarische Qualität bis heute einzigartig in einer zunehmend erfahrungsarmen Sozialforschung sind. Interessiert daran, zu verstehen, wie sich in Massenkultur, Massenmedien und politischer Propaganda sichtbare Oberflächen in vorgetäuschte Wirklichkeiten verwandeln, bekommen seine Arbeiten heute insbesondere im Politischen eine neue Aktualität. In seinen erst posthum veröffentlichten (und vom Institut für Sozialforschung seinerzeit verworfenen) Studien zu Masse und Propaganda zeigt Kracauer auf, wie faschistische Propaganda zu einem Selbstzweck wird, der eine eigene soziale Wirklichkeit schafft. Damit hat Kracauer eine analytische Spur gelegt, die uns heute direkt in die propagandistischen Operationsweisen des modernen politischen Autoritarismus hineinführen kann.
Barbara Thériault
(Université de Montréal)
»Kracauer und die »Zeitungssoziologie««
In der Kombination von Soziologie, Literatur und Reportage stehen die Hybridform der Feuilletons, wie Kracauer sie zwischen 1925 und 1933 praktiziert hat, und die Zeitungen, in denen sie veröffentlicht wurden, für eine der Geburtsstätten unserer Disziplin. Hier zeigt sich, was die Soziologie hätte werden können - und noch werden könnte. Denn: Die Miniaturen Kracauers erweisen sich heute als ein Schatz für eine qualitative Soziologie, die auf sinnliche Erfahrungen und Stimmungen aufmerksam macht, die für eine Fülle von Materialen offen ist sowie Wert auf Schreiben und Darstellungsformen legt. Zudem eröffnen die Feuilletonartikel Wege, die Soziologie für ein breites Publikum zugänglich zu machen.
Moderation: Axel Honneth
Internationale Siegfried Kracauer Konferenz
20. Mai 2022
Hörsaal IV, Hörsaalgebäude, Campus Bockenheim
Frankfurt am Main
Video/Ton/Schnitt: Public noise
© IfS